Basale Stimulation


Ist ein Konzept systematischer individueller Anregung für Menschen mit sehr schweren Beeinträchtigungen.
Es wurde 1976 von Andreas FRÖHLICH entwickelt und fortlaufend weiterentwickelt, z. B. hinsichtlich der Anwendungsbereiche und Zielgruppen. Es ist vom Selbstverständnis her keine Behandlungs-Methode (wie z.B. Bobath-Therapie), sondern lebt durch das gemeinsame Tun. Dies kann zu Beginn jedoch bedeuten, dass der Mensch mit schwer(st)er Behinderung nur in der Lage zu "Mikroaktivitäten"ist, die äußerlich u.U. kaum wahrnehmbar sind.


Durch Basale Stimulation wird versucht, die gesamte Wahrnehmung anzuregen und zu orientieren.
Basale Stimulation muss am aktuellen Bedürfnisniveau des Menschen mit Behinderung ansetzen und in Alltagsaktivitäten eingebettet werden. Sie muss entwicklungsangemessen erfolgen.


Es geht dabei um Methoden einer intensiven und ganzheitlichen Förderung von Menschen mit schwer(st)er Behinderung.
Basale Angebote werden verstanden als einfache, "voraussetzungslose" sensorische Angebote, die dem betreffenden Menschen helfen sollen, sich selbst und seinen Körper zu entdecken und wahrzunehmen.
 

Das Anbieten adäquater Angebote erfordert seitens der Betreuungsperson/HEP ein hohes Maß an Sensibilität und guter Beobachtungsfähigkeit hinsichtlich der Aktionen und Reaktionen des Menschen mit Behinderung.
 

Basale Stimulation wird ausdifferenziert als
• Somatische Stimulation
• Taktile Stimulation
• Vestibuläre Stimulation
• Vibratorische Stimulation
• Orale Stimulation
• Olfaktorische Stimulation
• Auditive/Akustische Stimulation
• Visuelle Stimulation
 

Basal: voraussetzungslos, vorbedingungslos


Stimulation: Anregung; hier gezielte Wahmehmungsförderung, v.a. der Körpereigenwahmehmung (Körper-Ich)
 

Nach A. Fröhlich handelt es sich bei der Basalen Stimulation um ein Konzept systematischer individueller Anregung, Versorgung und Pflege mit dem Ziel, Entwicklungs- und Lemprozesse zu unterstützen. Es handelt sich um Methoden einer intensiven und ganzheitlichen Förderung von Menschen mit schwerster Behinderung.
 

Ziel:
 

Basale Stimulation will den Mangel an Eigenerfahrung, Eigenbewegung und Auseinandersetzung mit der Umwelt durch entsprechende Stimulationsangebote kompensieren.


Zielgruppe:
 

Entwickelt wurde das Konzept zunächst für Kinder und Jugendliche, die in ihren motorischen, kommunikativen, sprachlichen, emotionalen, kognitiven und sozialen Möglichkeiten stark beeinträchtigt und in der Regel lebenslang auf Hilfe angewiesen sind. Diese Personengruppe ist darüber hinaus besonders anfällig für Erkrankungen, die aufgrund  der sehr eingeschränkten Bewegungsfähigkeit auftreten können, z.B. Infekte der Atemwege und des Mundraums, Pneumonie, Nieren- und Blasenerkrankungen, Verstopfung, Austrocknung des Körpers, Dekubitus.
 

Das Konzept wurde fortlaufend weiterentwickelt und findet mittlerweile Anwendung bei:
• erwachsenen Menschen mit schwerster Behinderung
• altersverwirrten Menschen
• Menschen mit apallischem Syndrom (Wachkoma)
• Frühgeborenen


Konkret bedürfen die o.g. Personen
• großer körperlicher Nähe, um direkte Erfahrungen machen und andere Menschen wahrnehmen zu können
• anderer Menschen, die ihnen die Umwelt aufs einfachste nahebringen und ihnen Lageveränderungen, Fortbewegung und

    Raumerfahrungen ermöglichen
• Menschen, die die non-verbalen Signale der Betroffenen verstehen und darauf angemessen reagieren können.
 

Während FRÖHLICH in den 80er Jahren v.a. den entwicklungsbezogenen Aspekt, orientiert  an der Normalentwicklung des Menschen, in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte, berücksichtigt er seit Mitte der 90er Jahre verstärkt biografische Aspekte. Somit wird der individuellen Lebenserfahrung auch in Bezug auf die Förderangebote besondere Bedeutung
beigemessen.


Den Kategorien =>  Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation als Grundlagen  menschlicher Entwicklung kommt bei der Basalen Stimlation besondere Bedeutung zu.


Zitat Andreas Fröhlich:
 

"Wahrnehmung bedarf der Bewegung; Bewegung bedarf der sensorischen Information,(d.h. der Wahrnehmung), und die sensorische Information wird ihrerseits erst in kommunikativen Bezügen erworben."


Kernaussagen des Konzepts:
 

- Mangelnde Stimulierung führt zu einem psychischen und somatischen Rückzug.
- Stimulierende Angebote können diesen Prozess unterbrechen.
- Die Angebote/Maßnahmen müssen gezielt und eindeutig sein.
- Alle Wahrnehmungsbereiche stehen für eine Stimulierung zur Verfügung.
- Es handelt sich um "integriertes Lernen" und Fördern, d.h. es muss ein sinnvoller Bezug  zum Leben/Alltag hergestellt

  werden.


Vestibuläre Anregungen -> pränatale Erfahrungen

 

Umfassen rhythmisches Schwingen, Schaukelbewegungen, Auf- und Abbewegungen, Drehbewegungen.
Medien:
- Schaukelwanne
- Hängematte
- Hängeschaukel
- Hängesack
- Rolle
 

Vibratorische Anregungen


Knüpfen ebenfalls an pränatale frühkindliche Erfahrungen an. Helfen in besonderer Weise, das Skelett/Knochensystem (d.h. das Trägersystem des Körpers) erfahrbar zu machen, sowie den Muskeltonus zu normalisieren.
Medien:
- Manuelle Vibrationsangebote
- Vibrationskissen
- Massagegeräte
- Wasserbett
- Vibration in Verbindung mit Musik:
- Holzschlaginstrumente
- Große Tonblöcke und Schlitztrommeln
 

Bewegungserfahrungen
 

Bewegungserfahrungen erfolgen als

vibratorische Bewegungserfahrung (z.B. Musikbett)

und als

Druck-und Bewegungserfahrung ---> Das Spüren von Widerstand am eigen Körper macht den eigenen Körper bewusster (flächige Berührungen mit der  ganzen Hand, nicht punktuell mit einzelnen Fingern ---> "Päckchen"
Mikrobewegungen--> fördert eine sehr konzentrierte Aufmerksamkeit, verbunden mit einer Normalisierung des Muskeltonus

Durchbewegen --> v.a. das Prinzip der Symmetrie beachten
Intentionen
- Vermeidung von Kontrakturen
- Erhalt einer gewissen Bewegungsfähigkeit
- gemeinsame Aktivität und Erfahrung von Nähe
 

Atemunterstützende Maßnahmen
 

Der Atemrhythmus gibt uns Auskunft über die Befindlichkeit des anderen Menschen. Bewegungen gegen den Atemrhythmus werden als disharmonisch und verunsichernd erlebt.


Grundsätze bei basalstimulierenden Angeboten:
 

Basale Stimulation darf nicht "ausarten" in isoliertes Setzen von Reizen (Vorwurf der Be-Handlung und Passivität des geförderten Menschen)

 Immer anknüpfen an vertraute und stabile Erfahrungen, egal, wie lange diese zurückliegen (  Bedeutung der Biographie und genauen Beobachtung!
 

 

Grundprinzipien somatischer Anregung


Symmetrie
 

- unser Körper ist symmetrisch angelegt
- eine schwere (körperliche) Behinderung lässt dieses Symmetrieerleben nicht zu, dies hat den Aufbau eines
    unvollständigen Körperschemas zur Folge
- Ziel ist es daher, diese Symmetrie erlebbar zu machen.

- ausgehend von der intakten Körperhälfte wird auch die andere Seite stimuliert
- das Erleben der Symmetrie ermöglicht das Erleben der Ganzheitlichkeit des Körpers.


Spannung und Entspannung
 

- Spannung leitet Aktivitäten ein.
- Entspannung fördert Wachheit und Konzentrationsmöglichkeit.
- Der Wechsel zwischen beiden Zuständen hilft Bewegungen aufzubauen.

- Spannung und Entspannung können z.B. durch Lageveränderungen und Bewegungserfahrungen herbeigeführt werden.
 

Rhythmisierung


- Gemeint ist insbesondere der biologische Rhythmus, insbesondere die Atmung.
- Menschen mit schwerer Behinderung haben oft eine arhythmische Atmung, geprägt z.B. durch hektisches,

    "ziehendes" Einatmen und kurzes Ausatmen.
- Ziel ist es, die Ausatmungsphase zu verlängern und die Intervalle zwischen Ein- und Ausatmung gleichmäßiger
    werden zu lassen sowie die Atmung zu vertiefen.
- Die manuelle Unterstützung kann, je nach individuellen Voraussetzungen des Kindes, in verschiedenen Positionen
    erfolgen.