1. Zum Begriff

 

 

ICH-IDENTITÄT

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ICH-IDENTITÄT

 

 

Ellipse: ICH-IDENTITÄT
 
 

-bewusstsein

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-wertgefühl

(emotionale Komponente)

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(emotionale Komponente)

-konzept

(kognitive Komponente)

Textfeld: -konzept
(kognitive Komponente)

S

e

l

b

s

t

Textfeld: S
e
l
b
s
t

-vertrauen

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-beschreibung

-einschätzung

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-einschätzung

Abhängigkeit

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Angewiesensein auf soziale Umwelt

Rollen

Textfeld: Angewiesensein auf soziale Umwelt
Rollen

Wunsch oder Streben:

Wie würde ich gern sein?

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Wie würde ich gern sein?

Kontrollüberzeugung

(motivationale Komponente: generalisierte Haltung, die eige-ne Lage beeinflussen zu können oder ihr ausgeliefert zu sein)

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(motivationale Komponente: generalisierte Haltung, die eige-ne Lage beeinflussen zu können oder ihr ausgeliefert zu sein)
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Textfeld: Identitäts-
Störungen

Abgrenzung

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Prozess / Entwicklung

 

Verarbeitung

von

Erfahrungen

 

Assimilation

Akkomodation

Lebensphasen

z.B.

·       Pubertät,

·       Alter

 

besondere Lebenskrisen,

z.B. Tod eines Angehörigen

 

Textfeld: Prozess / Entwicklung
 
Verarbeitung
von 
Erfahrungen
 
Assimilation
Akkomodation
Lebensphasen
z.B. 
·       Pubertät, 
·       Alter
 
besondere Lebenskrisen,
z.B. Tod eines Angehörigen
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Identität beschreibt laut ENZYKLOPÄDIE DER SONDERPÄDAGIGIK (1992, S.303) einen Prozess, in dem der Mensch sein Selbstkonzept und dessen soziale Anerkennung versucht. Eine gefestigte Ich-Identität befähigt den Einzelnen dazu, "von außen gesetzte Erwartungen aus inne-

rer Überzeugung zu akzeptieren oder ihnen Widerstand entgegenzusetzen".

 

KRAPPMANN bezeichnet in Anlehnung an GOFFMAN als Ich-Identität die Leistung des Indi-viduums, zu balancieren zwischen personaler Identität (biografische Dimension, Individualität)

und sozialer Identität (die zu einem gewissen Zeitpunkt nebeneinander aktualisierten Rollen).

 

FREY / HAUSSER (1987, S.4) definieren Identität als Integrationsleistung diskrepanter Selbst-erfahrungen, d.h. den Integrations- und Balanceaspekt zwischen externem und internem Aspekt.

Dabei ist der externe Aspekt "das Ergebnis externer Typisierungs- und Zuschreibungsprozesse.

Der interne Aspekt (das "Selbst") ist ein reflexiver Prozess, der sich auf den Ebenen des sozialen

(Bild von der Meinung anderer über sich selbst) und des privaten Selbst (Selbstinterpretation aus

der eigenen Perspektive) abspielt.

 

 

 

 

2. Teilkompetenzen

 

Selbstständigkeit

-      Fähigkeit zu selbstständigem Handeln und die dafür notwendige Selbstverantwortlichkeit

-      erfordert Eigenständigkeit und bestimmte Handlungskompetenzen

-      zum Selbstständigsein gehört die innere Einstellung selbstständig sein zu wollen und das Gefühl haben, selbstständig sein zu können

Selbstwertschätzung

-         Mensch will nicht bloß erkannt, sondern anerkannt, nicht bloß beachtet sondern geachtet werden

-         Selbstwertschätzung ist die Grundstrebung einer Person

ð      eine positive Selbstwertschätzung ist eine notwendige Voraussetzung für die Motivation zum Weiterleben (Neubauer, 1967)

Körperkonzept

-         beeinflusst unser Selbstwertgefiihl

-         Langeveld, 1954: "Wer gering urteilt über den Körper, urteilt abschätzend über den Menschen.  Nicht weil der Körper der Mensch ist, sondern weil der Mensch ohne Körper nicht existieren kann."

=> Das Körperbild, das bewusst oder vorbewusst existiert, ist immer begleitet von positiven oder negativen Wertungen und beeinflusst zwangsläufig unser Selbstwertgefühl

 

Identitätsdarstellung

-         Teilnehmer einer sozialen Interaktion versuchen Identität darzustellen und durchzusetzen

-         Kennen der Identität eines Menschen macht diesen zum vertrauenswürdigen Partner

-         Mensch als Persönlichkeit (nicht als anonymer Rollenträger) wird als wertvolles Glied der Gruppe / Gesellschaft akzeptiert

-         Individuum muss anderen die Identität verständlich machen

ð     Selbstdarstellung darf nicht so weit gehen, dass sich das Individuum als völlig einmalig beschreibt/ verhält ("verrückt", "asozial" => nicht für die Gesellschaft kompatibel) (Krappmann, 1971)

 

Weitere Teilkompetenzen der Ich-Identität

-         Selbstwahrnehmung durch Körperwahrnehmung

-         Körperausdruck

-         Körpererfahrung

-         Selbstreflexivität

-         Selbstbewusstsein

-         Kommunikative Fähigkeiten

-         Identitätsbehauptung

 

 

3. Beobachtungskriterien / Diagnostik

 

Körpererfahrung

·      Wie setzt das Kind den Körper ein?

·      Kann das Kind Körperteile richtig benennen? (Körperkenntnis)

·      Wie orientiert sich das Kind am und im Körper?

·      Kennt das Kind seine Körpergrenzen? Stößt es sich oft? Läuft es gegen Dinge?

·       

 

Körperausdruck

·      Körperhaltung: gedeckt - aufrecht, eingezogener Kopf (Vorsicht bei Kb!!!)

·       

 

Selbstbewusstsein

·       niedrige Frustrationstoleranz

·       traut sich nichts zu ® gibt Arbeit an andere ab

·       Wie ist der Aufenthalt in einer Gruppe? (am Rande des Geschehens oder mittendrin)

·       Äußert das Kind die eigene Meinung?

·       Steckt es bei Streit immer zurück?

·       Wie ist die Körperhaltung (z.B. aufrecht, zusammengesunken)? Vorsicht bei Kb - Vielleicht ist die Haltung behinderungsbedingt!!

·       Fühlt das Kind sich häufig beobachtet? Schaut es sich oft um, ob jemand ihm zusieht? Wird es dann nervös?

·        

 

kommunikative Fähigkeiten

·      Redet das Kind mit oder hört es nur zu?

·      Kann es andere ausreden lassen?

·      Kann es verbal auf andere eingehen?

·      Kann es Wünsche / Bedürfnisse äußern?

·      Kann es seine Meinung verbal vertreten?

·      Lautstärke der Stimme

·       

 

Identitätsdarstellung

·      sich hinter Anziehsachen verstecken (weite Sachen - sich dick fühlen)

·       

 

Selbstreflexion

·       

 

 

4.      konkrete Lern- und Fördermöglichkeiten / Fördersituationen

 

-         Selbstwahrnehmung durch Körperwahrnehmung z.B. mein Körper, meine Stimme, meine Ausdrucksmöglichkeiten...was tut mit gut? was fühle ich? z.B. in Entspannung - Anspannung, in Körperarbeit, in Massage, oder Wie bewege ich mich, wie wirke ich: im Schwarzlicht, in Rollen- und Theaterspiel,

-         Aufbau einer pos. Beziehung zum eigenen Körper z.B. in Ausprobieren von "was steht mir? Mode und Schminken", Fotografiertwerden, mit und ohne Maske, Verkleidung,...

-         Körpererfahrung z.B. Übungen zur Körpersprache, z.B. im Sportunterricht: was kann ich, Fähigkeiten erweitern, Zutrauen, Grenzen wahrnehmen

-         Körperausdruck fördern, Übungen zu Haltung, Körpersprache, auch im Menschenschattenspiel, Schwarzlicht

-         Selbstreflexivität erlernen und üben

-         Erweiterung des Selbstbewusstseins durch Erfolgserlebnisse,

z.B.      Ziele erreichbar formulieren lernen

erlernen von Strategien zum Erreichen gesetzter Ziele

Selbstbestimmung in möglichst vielen Bereichen

Fähigkeitenbörse, positives Feedback,

Kommunikative Fähigkeiten, z.B.

-         Übungen im Rollenspiel, Rhetorik,

-         Erlernen, Erproben und Üben verschiedener Alltagssituationen,

-         Erlernen, Erproben und Üben verschiedener Redeformen z.B. Pro- und Contra-Diskussion, Vortrag,

-         adäquat um Hilfe bitten bzw. Hilfe zurückweisen

-         Perspektivwechsel

Identitätsdarstellung und -behauptung

-         z.B. Selbstbestimmung / Ermutigung zu Entscheidungen in möglichst umfassenden Teilen des Alltags (Pflegeperson, Zeiten, Reihenfolge z.B. der gefrühstückten Lebensmittel

-         z.B. Steckbrief, Personalausweis, Bewerbung, Lebenslauf,

-         Auseinandersetzung mit Behinderung(en), eigene Behinderung als ein Merkmal der Person

-         Klischees, Rollenerwartungen,

-         Sexualität, Sexualität in der Gesellschaft, Sexualität Behinderter,

-         individuelle Lebenszielen, unterschiedliche Lebensformen

-          

-         z.B.

 

 

5.      Fachrichtungsspezifische Aspekte

 

Der Förderschwerpunkt Ich-Identität kann beim körperbehinderten Menschen in besonderem Maße relevant sein.

 

„Eine Selbstentfremdung kann sich einstellen, wenn in dem auf Modelle angelegten Identifikations- und Sozialisationsprozess dominant unerreichbare Normen erlebt werden, die Erwartungen also permanent auf das andere Ufer gerichtet sind, bzw. von ihm ausgehen, zu dem es aber keine Brücke gibt.“ (Speck, O.: System Heilpädagogik, München, 4. Auflage 1998, S. 251).

 

Der Körper entspricht oft nicht der Schönheitsnorm und der körperbehinderte Mensch sieht, dass er diese Norm niemals erreichen kann. Er kann sich dadurch als defizitär erleben und dies wird ihm durch Umweltreaktionen auch noch gespiegelt.

 

Der Aufbau von Identität wird oftmals erschwert, wenn der Körper als nicht funktionierend erlebt wird. Auch Integrationsbemühungen können erschwert sein, da körperbehinderte Menschen nur unter extremen Anstrengungen „Normalität“ erreichen (z.B. unauffällig und leise sein, „manierlich“ essen). Die Selbst- und Fremdwahrnehmung wird außerdem verfälscht, wenn der körperbehinderte Mensch Rollen annimmt, die von ihm erwartet werden, die er aber aufgrund der Körperbehinderung nicht erfüllen kann (z.B. der stets Gutgelaunte, der sich Kontakte nicht vergraulen lassen will).

Kommunikation gelingt oft unter erschwerten Bedingungen (z.B. nichtsprechende Menschen, Menschen mit von Spastik betroffener Mundmuskulatur).

Die Interaktion zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen wird ab einem bestimmten Alter oder Bewusstseinsgrad durch Unsicherheit auf beiden Seiten zusätzlich beeinträchtigt: wie wird der, auf den ich treffe auf mich reagieren? Ist er nur nett zu mir, weil ich behindert bin? Wie gebe ich ihm die Hand, wo schaue ich hin, ignoriere ich die Behinderung?

„Wenn Normale und Stigmatisierte [...] in ihre gegenseitige unmittelbare Gegen-wart eintreten, insbesondere wenn sie dort versuchen, ein gemeinschaftliches kon-ventionelles Zusammentreffen aufrechtzuerhalten, [...] dürfte (das stigmatisierte Individuum, Erg.d.V.) spüren, dass es sich unsicher fühlt, wie wir Normalen es identifizieren und aufnehmen werden. [...] Diese Unsicherheit entsteht nicht nur dadurch, dass das stigmatisierte Individuum nicht weiß, in welche von verschie-denen Kategorien es platziert wird, sondern auch dadurch, dass es, wenn die Platzierung günstig ist, genau weiß, dass die anderen es innerlich nach seinem Stigma definieren: [...] So entsteht in dem Stigmatisierten das Gefühl, nicht zu wissen, was die anderen Anwesenden »wirklich« von ihm denken“ (Goffman, E.: Stigma - Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität, Frankfurt 199914, S.23f.).

 

Möglicherweise werden Zuschreibungen jeglicher Art, wie Aggression oder Ungeschicklich-keit, auf die Behinderung zurückgeführt und verallgemeinert.

 

Der Förderbedarf „Ich-Identität“ ist in unterschiedlichem Maße ausgeprägt, wobei nicht zwingend ein Verhältnis             schwere Behinderung – hoher Förderbedarf

                                               leichtere Behinderung – geringer Förderbedarf besteht.

Leichtbehinderte Menschen, denen die Behinderung nicht angesehen wird, haben in ihrer Identitätsfindung ganz andere Schwierigkeiten, als schwerbehinderte, die dafür schnell stigmatisiert werden.

Für behindert Gewordene stellen sich wieder andere Schwierigkeiten der Ich-Identität dar (Finden einer neuen Identität). Progredient Erkrankte müssen einen Anpassungsprozess „Ich-Identität“ durchmachen, der sich von anderen Behinderungen wiederum unterscheidet.

 

 

6.      Literatur

 

Canacakis, J. u.a.: Wir spielen mit unseren Schatten  Reinbek 1986

Eckmann, Th.:selbstsein unter Seinesgleichen? Identitätsförderung Körperbehinderter an der

Sonderschule für Körperbehinderte Berlin 1985

Erikson, E.: Identität und Lebenszyklus Frankfurt 1973

Frey, H.-P. u. Hausser, K.(Hrsg.): Identität Stuttgart 1987

Goffman;E.: Stigma. Über techniken der bewältigung beschädigter Identität Frankfurt 199914

Kliebisch, U. u. Weyer, D.: Selbstwahrnehmung und Körpererfahrung. Interaktionsspiele für

Jugendliche Mülheim an der Ruhr 1996

Krappmann, L. Soziologische Dimensionen der identität Stuttgart 19826

Miessler, M.; Bauer, I.; Thalmeier, K.: Das bin ich. Beiträge zu einer persönlichkeitsorientier-

ten Erziehung Bonn 19885

Neubauer, W.F.: Selbstkonzept und Identität im Kindes- und Jugendalter München 1976

Schottmayer, G.: Ich-Identität, soziale Kompetenz und Konfliktfähigkeit

In: Pädagogik 49 (1997) 10, S. 30-35

Speck, O.: System. Heilpädagogik, München, 19984