Abwehrmechanismen: Ein Selbstschutzprogramm des ICH

 

Emotionen, Körper, Verstand und Gesellschaft stellen permanent Ansprüche, die nicht selten widersprüchlich sind und zu Konflikten sowie Frustrationen führen können.

 

Solche Konfliktsituationen spielen sich ab:

 

- zwischen dem was wir wollen und dem was wir haben

- zwischen dem was wir gerne täten und dem was wir dürfen

- zwischen dem was wir fühlen und dem was wir fühlen sollten

 

Viele dieser Konflikte, die man tagtäglich erlebt, vermag das ICH ganz rational auf der Stufe des Bewußtseins zu lösen. Anpassungsversuche dieser. Art sind:

- erhöhte Anstrengungen, um ein Hindernis zu überwinden

- Verkleinerung oder Wechsel eines Ziels

- Realistische neue Einschätzung einer Situation

- Unterdrückung

Unterdrückung ist die bewußte Kontrolle und Eliminierung von Gefühlen. Zum Beispiel kann sich eine Altenpflegerin voll dessen bewußt sein, daß sie eine bestimmte Arbeit ekelhaft findet, aber sie unterdrückt diese Gefühle bewußt und -: fährt in ihrer Arbeit fort.

Konflikten jedoch, die das ICH in eine besondere emotionale Zerreißprobe zwischen ES, ÜBER-ICH und Umwelt bringen, kann es mit unbewußten Anpassungsprozessen, den sogenannten Abwehrmechanismen, begegnen.

Jeder Mensch bedient sich in gewissem Umfang zum Schutz seiner ICH-Identität solcher Mechanismen.

Die Kenntnis dieser unbewußt wirksamen Anpassungsprozesse ist für sozialpflegerische Berufe von besonderer Bedeutung, da gerade auch der professionelle Umgang mit anderen Menschen eine Fülle emotionaler Konflikte sowohl auf Seiten der Pflegekräfte wie auch der Patienten/Betreuten in sich birgt.

Einen ersten Schritt zur Aufarbeitung dieser Konflikte und der bevorzugten Konfliktlösungsmuster, stellt die Bewußtmachung der grundsätzlichen Wirksamkeit solcher Abwehrmechanismen dar.

Als notwendiger zweiter Schritt muß die Reflexion der eigenen Betroffenheit (z. B. durch Teilnahme an Selbsterfahrungsgruppen) erfolgen.

 

Im folgenden sind einige der wichtigsten Abwehrmechanismen aufgeführt:

 

Verdrängung ist im Gegensatz zur Unterdrückung ein, unbewußter Prozeß, der eine vordergründige Konfliktlösung dadurch ermöglicht, daß „unzulässige" Gedanken oder Wünsche nicht ins Bewußtsein dringen.

Beispiel: Feindselige Gefühle gegen die Eltern werden verdrängt. Es ist einfacher, solche Gefühle im Unterbewußtsein zu begraben, als den drohenden Verlust der Zuneigung von Seiten der Eltern zu verkraften.

Beispiel: Ein durch das Wissen um eine unheilbare Krankheit in seiner Identität erheblich bedrohtes ICH entzieht sich einer rationalen und sicher auch schmerzhaften Verarbeitung durch Verdrängung der angstauslösenden Tatsache.

 

Projektion wird die Übertragung eigener Unzulänglichkeiten und unmoralischer Wünsche, die nicht zugelassen werden dürfen oder können, auf andere Personen genannt. Sie bietet einen Schutz gegen eigene unerwünschte Motive, in dem man diese anderen zuschiebt.

Beispiel: Eine Altenpflegerin, die eigene „unmoralische" Wünsche (z.B. sexueller Art) nicht zulassen kann und diese dann auf Patienten oder Heimbewohner projiziert.

Dieser Abwehrmechanismus ist besonders schädlich für die interpersonalen Beziehungen, da er auch Verdächtigungen o. ä. hervorbringt.

 

Regression ist  der Rückzug vor einer Konflikt- oder Streßsituation auf frühere Entwicklungsstufen mit primitiveren Reaktionen und niedrigerem Anspruchsniveau (Flucht in infantile Verhaltensweisen, Essensstörungen, psychosomatische Krankheiten usw.

Selbst ein gut angepaßter und reifer Mensch wird regredieren, wenn er mit einer Krise konfrontiert wird, an die er sich nur schwer oder gar nicht anpassen kann.

Beispiel: Nach Scheidung der Eltern verlangt ein älteres Kind wieder nach dem Schnuller oder beginnt wieder Daumen zu lutschen.

Beispiel: Nach der Heimeinweisung verliert ein alter Mensch plötzlich bis zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden gewesene Fähigkeiten zur Selbstversorgung und wird zu einem totalen Pflegefall.

 

Rationalisierung ist die Rechtfertigung eines Verhaltens, dessen wahre Ursachen man nicht akzeptieren kann, durch angeblich rationale Argumente.

Beispiel: Ein Altenpfleger, der aus Angst dem Gespräch mit einem todkranken Patienten ausweicht, begründet sein Verhalten vor sich selbst mit der akzeptablen und auch einsichtigen Argumentation, daß aufgrund der schlechten personellen Ausstattung des Heimes gerade noch die Grundpflege ordentlich erledigt werden könne, aber keine Zeit mehr für ausführliche Gespräche sei.

 

Verschiebung ist die Entladung von aufgestauten, gewöhnlich feindseligen Gefühlen, auf solche Objekte und Personen, die weniger gefährlich sind als diejenigen, welche die Emotion ursprünglich erregt haben.

Beispiel: Eine Stationsschwester ärgert sich über eine autoritäre Anordnung des Heimleiters und reagiert den Ärger an einer Jahrespraktikantin ab, in dem sie ihr z. B. einen unangenehmen Auftrag gibt.