1. Die Lerntheorien als Theorie der Entwicklung (Behaviorismus)

 

Die wichtigsten Aussagen der Lerntheorien:

 

- Aus einem neutralen Reiz wird ein bedingter Reiz, der eine bestimmte Reaktion auslöst, wenn dieser neutrale Reiz mehrmals zur gleichen Zeit und in der gleichen Situation mit einem unbedingten oder bereits erlernten Reiz, der bereits eine bestimmte Verhaltensweise auslöst, gekoppelt wird.

 

Die Befriedigung von Bedürfnissen löst beim Menschen angenehme Gefühle aus. Befriedigung von Bedürfnissen' ist also ein Reiz, der als Reaktion angenehme Gefühle' zur Folge hat. Beim Kind ist es seine Bezugsperson, die seine Bedürfnisse befriedigt. Die Bezugsperson, die zunächst beim Kind zu noch keiner Reaktion führt, löst, da sie immer dann auftritt, wenn Bedürfnisse befriedigt werden, allmählich die gleiche Reaktion aus wie die Befriedigung von Bedürfnissen, nämlich angenehme Gefühle. Schon beim Anblick der Bezugsperson werden angenehme Gefühle geweckt.

 

Ein solcher Lernvorgang muß nicht unbedingt ein angeborenes Reiz- Reaktions-Schema zur Grundlage haben (= Konditionierung 1. Ordnung); es ist möglich, daß er auf eine bereits gelernte Reiz- Reaktions-Verbindung aufbaut (- Konditionierung 2. Ordnung).            _

 

Ein besonders interessantes Experiment hat der Physiologe I. P Pawlow um 1900 mit seinen Labor-Hunden durchgeführt. Zunächst wollte er nur messen,  wie viel Magensaft die Tiere produzieren, wenn ihnen ein Napf voll Futter hingestellt wird. Doch dann stellte er fest, daß die Magensaftproduktion schon in Gang kam, wenn die Tiere nur hörten, daß die Wärter kamen - so wie uns das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn wir hungrig in einem Kochbuch stöbern oder uns die Wohlgerüche eines Restaurants in die Nase steigen. Pawlow entdeckte auf diese Weise, daß die Hunde gelernt hatten, daß es gleich Futter gibt, wenn die Wärter den Gang entlang kommen - und ihr Magen produzierte automatisch die Verdauungssäfte. Einen solchen Zusammenhang nennt man Konditionierungsprozeß: Eine bestimmte Bedingung (die Wärter kommen) wird mit einer bestimmten Erwartung (gleich gibt es Futter) und einer bestimmten Reaktion (Magensaftproduktion) verknüpft. Nun ist es natürlich auch möglich, andere Reize mit der Erwartung (gleich gibt es Futter) zu verknüpfen: Z. B. das Klingeln einer Glocke oder das Schlagen des Gongs vor dem Essen - wie es früher in herrschaftlichen Häusern mit vielen Kindern üblich war. Nach einigen Wiederholungen wissen die Hunde (oder die Kinder), daß gleich das Essen kommt, und allen läuft das Wasser im Mund zusammen.

 

-          Ein Lernvorgang findet nur dann statt, wenn im Individuum ein Spannungszustand vorliegt, der durch Lernen beseitigt werden kann.                                                             

So wird ein Kind, dem es kein Bedürfnis ist, sich außer der Mutter anderen Personen zuzuwenden, oder das mit der Kontaktaufnahme mit fremden Personen weder einen angenehmen Zustand herbeiführen und aufrechterhalten noch einen unangenehmen Zustand vermeiden, beseitigen oder vermindern kann, kaum einen Kontakt zu anderen Personen erlernen.

 

-          Verhaltenswelsen, die des öfteren zum Erfolg führen, werden wieder gezeigt und erlernt, Verhaltensweisen, die des öfteren nicht zum Erfolg führen, werden nicht wieder gezeigt und damit nicht erlernt oder verlernt.

Hat ein Kind beispielsweise mehrmals Erfolg, wenn es sich fremden Personen zuwendet, so wird es diese Verhaltensweise wiederholen und erlernen. Würde dagegen das Kind mit der Kontaktaufnahme nicht zum Erfolg kommen, so würde es dieses Verhalten nicht mehr zeigen und auch nicht erlernen.

 

-          Eine Verhaltensweise wird häufiger auftreten und erlernt, wenn durch sie mehrmals ein

angenehmer Zustand herbeigeführt und aufrechterhalten oder ein unangenehmer Zustand beseitigt, vermieden bzw. verringert werden kann.

So kann beispielsweise die Kontaktaufnahme eines Kindes zu anderen Personen erlernt werden, wenn es dadurch mehrmals einen angenehmen Zustand, etwa die Zuwendung von diesen Personen, herbeiführen und aufrechterhalten kann, oder aber, wenn es damit mehrmals den für ihn unangenehmen Zustand entgehen kann, alleine zu Hause sitzen zu müssen (. unangenehmer Zustand). Die Zuwendung der anderen Personen ist ein positiver Verstärker: Das Kind kann durch die Kontaktaufnahme einen angenehmen Zustand herbeiführen und aufrechterhalten. Beim Alleinsein-Müssen handelt es sich um einen negativen Verstärker: Durch die Kontaktaufnahme kann es das Alleinsein vermeiden bzw. beseitigen. Gelernt wird in beiden Fällen die Kontaktaufnahme des Kindes zu fremden Personen.

 

-          Nachahmung eines an einer anderen Person (- Modell) In der Realität, im Film oder im Spiel

beobachteten Verhaltens kann zum Erwerb neuer Verhaltenswelsen, zu einem Hemmungs- oder Enthemmungseffekt führen. Ob ein Verhalten nachgeahmt wird oder nicht, hängt vom Modell, vom Beobachter und von der Situation ab.

 

Behavioristisch orientierten Psychologen ist die Idee einer kontinuierlichen und phasentypischen Entwicklung fremd. Denn nur durch innere Faktoren kann eine solche Entwicklung gesteuert sein, und gerade den Bezug auf solche inneren Faktoren lehnen Behavioristen ab. Für sie vollzieht sich die menschliche Entwicklung als eine Folge aufeinander aufbauender Lernprozesse.

 

Dabei hängt das Auftreten der Lernprozesse von dem Angebot fördernder Reize und Verstärker ab. Da die Natur der Lernprozesse stets als gleich angesehen wird, besteht keine sonderliche Veranlassung, Vergleiche zwischen verschiedenen Altersstufen anzustellen.

 

Bedeutsame theoretische Beiträge speziell zur Entwicklungspsychologie sind daher von seiten behavioristischer Autoren selten.