Die vier Botschaften einer Nachricht (Friedemann Schulz von Thun)

Um die Vielfalt der Botschaften, die eine Nachricht enthält, ordnen zu können, unterscheidet Friedemann Schulz von Thun vier Seiten einer Nachricht, die Sachinhaltsseite, die Selbstoffenbarungsseite, die Beziehungsseite und die Appellseite.

Der Sachinhalt: Hier wird die Frage geklärt, worüber berichtet wird; es geht um die Sachinformation. Der Sachinhalt enthält Informationen über die mitzuteilenden Geschehnisse und Dinge.

Die Selbstoffenbarung: Nachrichten enthalten nicht nur Sachinformationen, sondern auch Informationen über die Person des Senders. Die Frage, was der Sender von sich selbst kundgibt, steht hierbei im Vordergrund.

Die Beziehung: Einer Nachricht kann man ferner entnehmen, wie der Sender zum Empfänger steht und was der Sender vom Empfänger hält. Die Beziehungsseite der Nachricht klärt also einmal, wie der Sender den Empfänger sieht, und zum anderen, wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger betrachtet. Jede Information teilt dem anderen etwas über ihn und über die Beziehung der Kommunikationspartner mit.

Der Appell: Jede Nachricht will auf den Empfänger Einfluss nehmen. Hier handelt es sich um den Aspekt, dass der Sender den Empfänger zu einer bestimmten Sache veranlassen will

Ein Beispiel:

Der Mann (= Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (= Empfänger): "Du, da vorne ist Grün!"

Die Nachricht enthält eine Sachinformation über den Zustand der Ampel, dass sie auf Grün steht (=Sachinhaltsseite). Außerdem gibt die Nachricht Auskunft über den Sender - etwa dass er aufpasst und in Gedanken mitfährt, dass er es vielleicht eilig hat; (= Selbstoffenbarungsseite). Aus der Nachricht geht ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht: Der Mann traut möglicherweise seiner Frau nicht zu, den Wagen alleine optimal zu fahren, er hält sie für reaktionslangsam oder auch für hilfsbedürftig (= Beziehungsseite). Und schließlich fordert der Mann die Frau zum Losfahren auf, um bei Grün über die Ampelanlage zukommen (= Appellseite).

Der Sender sendet - ob er will oder nicht - immer gleichzeitig auf allen vier Seiten. Selbst wenn er nur eine Sachinformation mitteilen oder sich lediglich offenbaren will, so muss er sich bewusst sein, dass bei seiner Nachricht grundsätzlich alle vier Seiten mit im Spiel sind.

Demnach ist eine erfolgreiche Kommunikation nur dann gewährleistet, wenn er alle diese Seiten beherrscht. Die Beherrschung nur einer dieser Seiten führt zwangsläufig zu Kommunikationsstörungen.

So zum Beispiel treten Störungen auf, wenn man zwar von der Sache her Recht hat und gut argumentiert, auf der Beziehungsseite aber Unheil stiftet; man kann auch auf der Selbstoffenbarungsseite eine gute Figur machen, es werden aber vermutlich Störungen auftreten, wenn man unverständlich in, der Sachbotschaft bleibt, indem man allzu geistreich und kompliziert spricht.

Entsprechend muss natürlich auch der Empfänger imstande sein, alle vier Seiten der Nachricht aufzunehmen. Doch das ist in der Regel nicht der Fall, der Empfänger nimmt meist nur eine Seite der Nachricht wahr und reagiert auf diese.

Diese freie Auswahl des Empfängers kann zu Störungen in der Kommunikation führen - je nachdem, auf welcher Seite der Nachricht der Empfänger reagiert.

Was nun nach Schulz von Thun die soziale Kommunikation so kompliziert macht, ist die prinzipielle freie Auswahl des Empfängers, auf welche Seite der Nachricht er reagieren will - ob er auf die Sachinhalts-, auf die Selbstoffenbarungs-, die Beziehungs- oder auf die Appellseite eingehen will.

Im Kindergarten zum Beispiel bringt der vierjährige Oliver ein Puzzle durcheinander. Ein anderes Kind der Gruppe geht zum Fachoberschulpraktikanten und sagt zu ihm: "Du, Dieter, der Oliver hat das Puzzle zerstört!" Je nachdem, mit welchem Ohr der Fachoberschulpraktikant hört, wird er unterschiedlich reagieren:

- Wenn er mit dem Sachinhaltsohr hört: "Hat Oliver das Puzzle absichtlich kaputt gemacht?"

- Wenn er mit dem Selbstoffenbarungsohr hört: "Nun bist du von Oliver enttäuscht!"

- Wenn er mit dem Beziehungsohr hört, "Warum erzählst du mir das und nicht Oliver?"

- Wenn er mit dem Appellohr hört: "Ich komme gleich und werde sehen, was Ios ist!"